31. Januar 2025, 20:00 h
Max Raabe & das PALAST ORCHESTER
Vor dem Vergnügen liegt die Arbeit! Bin heute bereits drei Stunden vor dem Auftritt des Künstlers und seines Orchesters in der Stadthalle. Bei meinem dritten Besuch beginnt somit der Blick hinter die Kulissen der Stadthalle. Man kann das Gefüge des Personals für ein solches Veranstaltungsmanagement nirgendwo eindeutiger kennenlernen, als am zentralen Punkt des Hauses - dem Informationsschalter am Eingangsbereich der Stadthalle. Im Laufe der kommenden 180 Minuten treffe ich hier nicht nur auf die zuständigen Mitarbeiterinnen Eva Reihs-Neumann und Margarete Wieczorek, sondern auf die komplette Crew des Hauses - im Empfangsbereich hängt das elektronische Zeiterfassungssystem für alle Mitarbeiter:innen. Hier melden sich alle Bediensteten zum Dienst an - und ab. Es ist ein reges Treiben hinter der Glasfront.
Es geht herzlich zu - und geschäftig. An diesem Freitagabend gehen zwischen 17:00 Uhr und 18:00 Uhr die ersten Mitarbeiter:innen in den Feierabend - zeitgleich kommen im Viertelstundenrhythmus die Crewmitglieder, die für die ausverkaufte Abendveranstaltung benötigt und angefordert wurden. Den Anfang macht das vierköpfige, dick bekleidete, Team der Parkplatzeinweiser. An der Stadthalle stehen 350 Plätze zur Verfügung. Zwei Leute kassieren jeweils die fünf Euro Gebühr, einer weist die ortsunkundigen Autofahrer ein und die vierte Person steht am zusätzlichen Parkplatz der Hagener Wirtschaftsbetriebe parat. Alle kennen sich aus, man nimmt noch einen heißen Kaffee im Pappbecher und bezieht Stellung in der Kälte. Zeitgleich kommuniziert der technische Leiter der Veranstaltung mit dem Team der Feuerwehr und nebenbei trudelt das Pärchen vom DRK ein - das professionelle Sanitäter-Duo verrichtet den Dienst ehrenamtlich. Mir war dieses Engagement zuvor nicht bekannt. Auch nicht, dass das komplette Stadthallenteam zusätzlich regelmäßig mit Ersthelferschulungen fortgebildet wird. Apropos Hilfestellung bei gesundheitlichen Schwierigkeiten: am Schalter des Besuchermanagements steht den ganzen Abend eine junge Frau zur Verfügung, um beim behindertengerechten Toilettengang behilflich zu sein.
Den Großteil des Gastro- & Garderobenteams erkennt man an der Dienstkleidung, mit der man bereits zum Arbeitsbeginn erscheint - die Gastroschürze mit dem Schriftzug der Stadthalle (immer zur weißen Oberbekleidung). Wenige Meter entfernt nehmen sich die elf, schwarzgekleideten, Mitglieder vom beauftragten Securityunternehmen bereits die Funkgeräte, inklusive trendigen und berufsadäquater In-Ohr-Kopfhörer.
Jede Person, die hier ankommt, begrüßt zuerst die beiden Mitarbeiterinnen, die das erste Aushängeschild des Hauses sind. Margarete und Eva kann man an ihrer eigenen Dienstkleidung ausmachen: der auf den Kopf gestellten Brille.
Mich erfreut das positive Betriebsklima mit den kleinen, freundlichen, kollegialen Begegnungen.
Der Haupteingang wird um 18:00 Uhr abgeschlossen - die Vorbereitungen laufen in allen Bereichen - die Handgriffe und Arbeitsabläufe sind vielfältig und greifen routiniert ineinander. Zeitgleich hört man aus dem Saal den letzten Soundcheck vom PALAST ORCHESTER und aus dem „Symphonium“ (der früheren Bowlingbahn der Stadthalle) die Probe der heimischen Philharmoniker. Vor der Tür kommen die ersten der 1600 Gäste an. Um einen guten Parkplatz zu bekommen, ist die frühe Anwesenheit bestimmt sinnvoll - für die einstündige Wartezeit bis zur Öffnung der Hallentür ist es aus meiner Sicht etwas frisch!
Langeweile kommt bei den Bediensteten am Info-Schalter nicht auf. Etliche Anrufer erkundigen sich wenige Minuten vor der Ankunft über Parkmöglichkeiten und/oder die gastronomische Versorgung - oder über die Buspläne des örtlichen Personennahverkehres. Die Kolleginnen Wieczorek und Reihs-Neumann beantworten alle Anfragen mit stoischer Ruhe und ausgewiesener Freundlichkeit. Sie sind die ersten Ansprechpartnerinnen, die selbsternannten „Mädchen für Alles“ - selbst wenn die Stadthalle, wie an diesem Abend, nicht der Veranstalter ist. Da ist es hilfreich, wenn dieser beim Einlass anwesend ist und Rückfragen zum Programm, zu Presseanfragen und zu reservierten Tickets beantworten kann. Kleine technische Schwierigkeiten mit dem Reise-Laptop werden dann wiederum, in kurzer Amtshilfe, vom Duo Reihs-Neumann/Wieczorek behoben.
Der Zuschauerzustrom reißt erst nach einer Dreiviertelstunde ab - solange dauert es, wenn sich 1600 Menschen auf den Weg zur Kultur in die Hagener Stadthalle machen. Alle Verantwortlichen kennen ihren Job und machen diesen charmant und umsichtig. Mir gefällt das Treiben, welches ich beobachte.
Zwischen dem Veranstalter und dem zuständigen Mitarbeiter der Security gibt es um 19:55 Uhr den Hinweis, dass man mit wenigen Minuten Verzögerung das Konzert beginnen wird. Für mich ist es der Zeitpunkt, mich bei den Kolleginnen für die lehrreichen, kurzweiligen und sympathischen drei Stunden zu bedanken - und meinen Platz in der Halle einzunehmen.
Wenige Momente später werde ich von einer Stimme aus dem „Off“ daran erinnert, dass ich nach dem Konzert mein Mobiltelefon wieder einschalten soll - dann geht die Saalbeleuchtung aus und nach seinen 11 Musikern und einer Violinistin betritt Max Raabe die Bühne. Der Mann fasziniert - durch seine humorige, altvordere Präsenz, Unterhaltungs- und Sangeskunst. Es folgen, inklusive der Pause, 150 höchst unterhaltsame Minuten - voller „Liebe, Leidenschaft, Wirrungen des Zusammenlebens und Topfpflanzen“!
Orchestrale Lieder aus den 1920/30er Jahren und neue Werke aus den Federn vom Kerkeling-Musiker Achim Hagemann, dem langjährigen Berliner Rosenstolz-Herrn Peter Plate oder der heimischen Musiklegende Annette Humpe wechseln sich ab. Immer schwingt ein Hauch von ‚Babylon Berlin‘ mit, gemischt mit der Freude an der feinen Ironie in den Liedtexten und den nicht minder literarischen Ansagen.
Das Publikum lernt die Musiker:innen kennen und deren Instrumente. Beeindruckend ist der Klang des Sousaphons und des Basssaxophons. Genauso beeindruckend, wie das Zusammenspiel des PALAST ORCHESTERS, welches Raabe 1986 mit einigen Freunden gegründet hatte. Das Orchester und Raabes Bariton geben einem das glückselige Gefühl, dass man HUMMELN STREICHELN möchte. So besingt es der Mann, der seit Jahren in Berlin lebt, aber ursprünglich im benachbarten Lünen geboren wurde und dort auch aufwuchs. Von Lünen nach Berlin zur Carnegie Hall und dann erneut in der Stadthalle Hagen - auch hierzu kann man aus dem Programm zitieren: „Selbst ein Wolkenkratzer hat mal im Keller angefangen!“.
Max Raabe nimmt sich im Bühnenprogramm wohltuend zurück, um seinen Orchestermusikern ausreichend Platz zu geben. Er steht dann, befrackt, unweit vom markanten Retro-Stand-Mikrophon, in der Schwingung des Flügels - im Schatten.
Nach fast zweistündigem Konzert beendet das Bühnenpersonal das Konzert mit einem Zugabenteil und einem absolut-stimmungsvollen Schlussakkord. Raabe verabschiedet die Musikinstrumente einzeln von der Bühne und endet mit: „…nun, mein kleiner Liebling, träum auch Du!“. Schöner kann man nicht enden.
Beseelt vom wohltuenden Konzert, bleibt auch beim Einschalten des Putzlichtes in der Stadthalle das Tagesmotto aktuell - HEUTE IST EIN GUTER TAG UM GLÜCKLICH ZU SEIN!
20 Minuten nach dem letzten Ton sind die 1600 Besucher:innen auf dem Heimweg. Die Kolleginnen Reihs-Neumann und Wieczorek hatten zu diesem Zeitpunkt bereits unlängst die Kassen der Garderobe und der Parkwächter abgerechnet. Ein Großteil der Belegschaft checkt sich am Zeiterfassungsterminal wieder aus und in der Stadthalle übernehmen die Nachtarbeiter - morgen ist das nächste Konzert, für die eine andere Bühne und eine andere Bestuhlung hergerichtet werden müssen.
Wenn die Herren gegen 02:00 Uhr in der Nacht damit fertig sind, streicheln Eva, Margarete und Max hoffentlich bereits Hummeln im Traumland.
