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mein jahr in der stadthalle hagen I

Autorenbild: sven söhnchensven söhnchen

01. Januar 2025, 18:00 h

Neujahrskonzert

Philharmonisches Orchester (Joseph Trafton)


Es ist doch wundervoll, wenn man mit guten Vorsätzen in ein neues Jahr starten kann. So ist es für 2025 mein Vorhaben, mir einige Veranstaltungen in der Hagener Stadthalle anzuschauen - über die zwölf Monate werden es schlussendlich weit über 20 Termine sein.


Für ein solches Jahresprojekt bietet sich natürlich kein Start besser an, als ein Neujahrskonzert direkt am ersten Tag des Jahres. Mit viel Schwung und Vorfreude startet man in das neue Jahr, lässt die alten Sorgen und Nöte zurück und schaut optimistisch auf die folgenden 365 Tage.


Schön, wenn dieser erste Tag direkt mit einer Reise „von Wien nach Hollywood“ startet. So lautet das Motto des Philharmonischen Orchesters Hagen unter der Leitung von Joseph Trafton. Unterschrieben ist es mit dem Zusatz „Korngold und die goldene Ära“ und es beinhaltet Musiken von Erich Wolfgang Korngold zu den frühzeitlichen cineastischen Blockbustern Captain Blood, The Seahawk und Robin Hood.


Mein persönlicher Reiseantritt stand allerdings frühzeitig unter keinem guten Stern. Mit den öffentlichen Verkehrsmitteln wollte ich von meinem Wohnort zur Stadthalle fahren, was eigentlich auch problemlos funktioniert - wenn von Seiten des busfahrenden Personals die korrekten Fahrzeiten eingehalten werden würden. 

Darf man stolz sein, wenn Busse und Bahnen mittlerweile keine Verspätung mehr haben - dafür aber nunmehr ein bis zwei Minuten zu früh die Strecke passieren?Meine guten Vorsätze waren eigentlich gleich schon wieder hinfällig - zumindest die gute Laune, mit der ich in das neue Jahr gestartet bin. 

Beim nächsten Bus, der mich in die richtige Richtung fuhr, musste ich am Hauptbahnhof umsteigen. An der Stadthalle würde ich 12 Minuten Zeit haben, um von der Bushaltestelle in die Halle zu kommen, dort mein hinterlegtes Ticket abzuholen, die Jacke abzugeben und meinen Platz in der Halle zu finden. Dieses finde ich in meiner Vorstellung zeitlich sehr ambitioniert. Meine Laune wird umgehend besser, als ich am Bussteig eine junge Frau bemerke, deren Violinenkoffer auf dem Rücken darauf schließen lässt, dass auch sie auf dem Weg zur Stadthalle ist. Bin mir sicher, dass man ohne sie das Konzert nicht beginnen wird - nachdem zwei Stationen später drei weitere Musikerinnen in den Bus steigen, bin ich mit dem neuen Jahr bereits wieder versöhnt.


Die 12 Minuten reichen dennoch nicht. Sowohl am Ticketschalter, wie auch an der Garderobe zeigen sich weitere, zeitaufwendige Warteschlangen. Bevor ich meinen Wintermantel abgeben darf, erklingen die obligatorischen Gongaufrufe für den Veranstaltungsbeginn zum ersten, zweiten und dritten Mal. Als ich um 18:03 Uhr meinen Sitzplatz einnehme, hat sich auch das komplette Orchester bereits eingefunden. Die Violinistinnen aus dem Bus haben also vor mir ihren Bühnenplatz gefunden.


Ganz ausverkauft ist die Stadthalle an diesem frühen Abend nicht. Dennoch sind alle Programmhefte vergriffen. Meine Sitznachbarin ist so freundlich und gibt mir ein Exemplar von ihren ab.

Durch das Programm führend, gibt die WDR 3-Moderatorin Claudia Belemann einen Überblick über das Leben und Wirken von Erich Wolfgang Korngold, der bis zur Machtergreifung der Nazis bereits einer der erfolgreichsten Opernkomponisten in Europa war. Als Jude flüchtete er nach Kalifornien und konnte dort seinen Erfolg unter anderem auch mit Filmmusiken ausbauen.


Vor der Pause bekam Hagens Erster Konzertmeister Shotaro Kageyama seinen Soloauftritt im Korngold-Konzert für Violine und Orchester. Kageyama erhielt somit die Möglichkeit, sich von seinem Hagener Publikum zu verabschieden - nach elf Jahren wechselt er als Konzertmeister in seine Heimatstadt Tokio.


In der Pause konnte man, beim durchschnittlich eher betagteren, Publikum die typische deutsche Tugend des Vordrängelns (welche gerne einhergeht mit Buffetschlachten und Sonnenliegenreservierungen) erkennen. 

Es war bereits wieder der erste Gong ertönt, als ich meinen Pausensekt bestellen konnte. Mein Anreisestress war längst abgearbeitet, sodass mich die Wartezeit bis zur Flüssigkeitsaufnahme nicht wirklich beunruhigte. Die 15-minütige Dauerberieselung durch die junge Dame hinter mir in der Warteschlange sorgte allerdings bei mir für erneuten Pulsschlag. Für diese Frau war der Start ins neue Jahr wesentlich zermürbender als für mein Nervenkostüm. Durchgehend beklagte sie sich lautstark über das Fehlverhalten der anderen Gäste. Ihr Unverständnis gipfelte darin, dass sie nach der ganzen Wartezeit aus der Schlange ausscherte und nichts bestellte. Sie wäre als Nächste an der Reihe gewesen...


Im zweiten Teil des Konzertes ging es mit der Filmmusik zu The Seahawk um die Seefahrt - also eigentlich um Freibeuter und Piraten. Mir gefiel jedenfalls, beim Blick auf meine Uhr, die zeitliche Nähe zur gleichzeitig anlaufenden, maritimen Neujahrsfernsehtradition vom TRAUMSCHIFF.

Nach dem offiziellen Ende der Reise von Wien nach Hollywood bekommt das Publikum noch jene Musik, die sie an diesem Tag wirklich hören möchte. Dem Johann Strauß-Walzer von der schönen blauen Donau folgt der Radetzkymarsch - dem wiederum folgt frenetischer Jubel und stehende Ovationen für die Philharmoniker.


Um 20:45 Uhr nehme ich meinen Wintermantel wieder in Empfang. Die Herausgabe der Kleidung geht flotter, als die Abgabe vor drei Stunden. Freue mich darüber, da ich so noch den Bus erreiche, der mich zurück zum Wohnort fährt. Als ich die Stufen neben den Windsbräuten heruntergehe, sehe ich „meinen“ Bus von der Haltestelle wegfahren. Das zweite Mal an diesem Tag erinnert mich das heimische Busunternehmen an Lucky Luke: Sie fahren schneller, als ihre Zeittafeln es anzeigen! Ich muss nur eine halbe Stunde an der Bushaltestelle warten - in Gesellschaft von mehreren Ensemblemitgliedern des Hagener Orchesters.

Wirkliche Freude beim Neujahrskonzert werden zumindest die Verantwortlichen der Suppenküche haben. Das Publikum hatte in der Pause für das ehrenamtliche Sozialprojekt Gelder gesammelt. Es kamen knapp 5000 Euro zusammen.

Möge, welcher Generalmusikdirektor auch immer, zu den zukünftigen Neujahrskonzerten dem Anlass entsprechend Erwartbares spielen lassen. Vielleicht wird das Konzert dann wieder zu dem gesellschaftlichen Ereignis in der Stadt, welches Freude und Zuversicht für ein neues Jahr ausstrahlt.


PROSIT NEUJAHR.

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