Blog 28
Tag 28
Das Zimmer, welches die letzten vier Wochen meine Heimat war, ist weitestgehend geräumt. Hatte am Nachmittag gedacht, dass ich eine trockene Phase im Rothenfelder Dauerregen erwische, um mein Hab und Gut im Kofferraum zu verstauen. Das klappt natürlich nur bedingt und ich darf mich beim Einräumen der nächsten Regendusche hingeben.
Um 16:30 Uhr habe ich das Therapieheft abgegeben, nachdem die letzten beiden Sporteinheiten eingetragen worden waren.
Meine aktuell-aktive Kur-Phase in Bad Rothenfelde ist Geschichte - es folgt eine letzte Nacht und das Auschecken - mit der Berechtigung, ein letztes Frühstück hier geniessen zu dürfen.
Mein aktiver Tag begann mit einem Abschlussgespräch. Die sympathische Assistenzärztin war aus dem Urlaub zurück und zeigte sich mit meinen Werten während ihrer Abwesenheit durchaus einverstanden. Das Gewicht darf und soll sich weiter reduzieren, was sich dann auch positiv auf den Blutdruck auswirken soll. Trotz neuer Medikation, gab es hier nicht den erhofften Erfolg. Hatte allerdings mit Frau Doktor nicht thematisiert, dass der weiterhin erhöhte Blutdruck eventuell an der dauerhaften Begegnung mit der amerikanischen Mafia liegen könnte.
Tony war heute etwas wortkarg - selbst als er mir beim Verladen meiner Koffer und den geräumigen, blauen Reisetaschen aus dem Hause IKEA behilflich war. Sein rührseliger Kleinjungeblick erfüllt fast sein Zweck.
Seinetwegen halte ich es aber für sinnvoll, dass mein Aufenthalt im Heilbad morgen beendet ist. Wer weiss, wer mich hier sonst noch alles besucht und ihn verwirrt hätte.
Zudem entziehe ich mich so seinem Einfluss, der wahrscheinlich nicht nur positiv auf mich ausstrahlen wird.
Ansonsten wäre ich für eine Verlängerung der Kur durchaus empfänglich gewesen. So rasant werde ich wahrscheinlich nicht mehr Gewicht verlieren, wenn ich im heimischen Alltag ankomme. Glaube derzeit dennoch an eine gewisse Nachhaltigkeit des (Wieder-)Erlernten der vergangenen vier Wochen.
Werde mich dann mal morgen um die entsprechenden Massnahmen im Bewegungs- und Einkaufs- und Ernährungsverhalten kümmern müssen.
Erste Vorgespräche im Fitnesszentrum Bechelte Park zum Nachsorgeprogramm wurden bereits für mich geführt - jetzt müssen Termine gefunden werden. Es spricht nichts dagegen, dort direkt morgen hinzugehen - ebenso wie zur Hausärztin.
Wahrscheinlich ist diese Terminflut am Heimatort der Grund, warum man frühzeitig am Abreisetag aus der Klinik entlassen wird. Um den Kurgästen den Abschied leicht zu machen, hat man bereits um 07:00 Uhr das Gemach zu räumen. Mein Tisch-38-Nachbar hält dieses Klinikvorgehen für eine Straftat und will es vor seiner Entlassung zum Ende der kommenden Woche juristisch klären lassen! Richtig so! Vielleicht reicht die Zeit bis zur Entlassung notfalls auch noch für eine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof: die Uhrzeit ist eine Verletzung der Menschenrechte.
Am Abend trifft sich unsere VOR-Gruppe zu einem privaten Austausch und Abschluss - es wird sogar, zum reinen Achtsamkeitstraining, ein 15jähriger Whiskey kredenzt. Selbstverständlich lehne ich ab - noch ist die Kur nicht vorbei!
Zeige Mister Soprano ein Foto meiner Exfreundin. Wir kommen auf sie zu sprechen, weil ich ihn nach seiner Frau Carmela und den Kindern frage. Mit seiner Gegenfrage zu meinem Familienleben, möchte er schnell ablenken.
In der Hoffnung, was über den Verbleib seiner Kernfamilie zu erfahren, erzähle ich ihm, dass meine Tochter aus dem Haus ist, sich aber dringend für ihren Vater einen Hund wünscht. Und der Vater diesen Gedanken zumindest vor der Kur nicht völlig abwegig fand.
Die Nachfrage zur Ehefrau kann ich nicht beatworten - dafür zeige ich ihm das Foto der Ex, die heute Geburtstag feiert.
Wäre ich bereits heute aus der Kur abgereist, wenn sie nicht die Ex wäre - um mit ihr gemeinsam das Wiegenfest zu feiern?
Zumindest scheint es gut zu sein, dass sie mich hier nicht besucht hat - Tony schaute etwas lüstern auf das Bild auf meinem Mobiltelefon.
Bin gespannt, was Stefania demnächst berichtet, wenn sie hier das Tiramisu vorbeigebracht hat. Sinnvollerweise gibt sie das besser an der Rezeption ab! Wobei? Wird Tony unter seinem wahren Namen hier leben?
Nichts, wirklich nichts, habe ich über die Gründe seiner Anwesenheit in den vier Wochen herausgefunden. Vielleicht ist es auch besser so!? Und ein wirklicher Beziehungsberater ist der Capo auch nicht. Sollte ich diesbezüglich jedoch Hilfe brauchen, könnte ich ihn um die Nummer von Dr. Jennifer Melfi bitten.
Vielleicht wird das meine letzte Handlung morgen - vor dem Heimweg.