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blog 13 / tag 13: mit tony soprano in bad rothenfelde

Autorenbild: sven söhnchensven söhnchen

 

Blog 13

Tag 13

 

 

Der heutige, freie Sonntag und ich werden keine Freunde.

Eigentlich überlege ich, bereits vor dem Frühstück abzureisen.


Halte es für einen Skandal, der von der Klinikleitung bei allen Patient:innen zu einem bestimmten Zeitpunkt bewusst eingesetzt wird.

Beim morgendlichen Wiegen ist erstmals ein Gewichtszuwachs zu registrieren!? Wofür ernähre ich mich (weitestgehend) von Tomaten und Gurken und trinke nur Mineralwasser, ungesüssten Tee und ebensolchen Kaffee.

600 Gramm plus zeigt die Waage, im Gegensatz zum Vortag, an.

Möchte man mir mitteilen, dass es sich hierbei um den gestrigen Hohlzahnnachschlag der Linsensuppe handelt?


Nur langsam beruhige ich mich wieder und übersetze mir die Gewichtszunahme mit dem unaufhaltsamen Muskelaufbau, der hier ja unbeirrt und wenig messbar, ein Nebenprodukt der sportlichen Plackerei ist.

Denke, ich lese beizeiten mal die Biographie von Arnold Schwarzenegger.


Fühle mich ansonsten versetzt - da ich Heimatbesuch erhoffte, welcher aber nicht erschien. Dabei hatte ich von der Kurverwaltung extra ein ROSENFEST arrangieren lassen, um durch das sommerliche Bad Rothenfelde zu flanieren, an Knospen zu riechen und sich der Naturschönheit zu erfreuen.


Es passte alles nicht. Zwar gab es die Rosen, aber vom Sommer ist auch der Kurort noch einige Grade auf dem Thermometer entfernt.

Was die Besucherströme in Boomtown Bad Rothenfelde anging, war ich gefühlt der einzige Kurgast ohne Heimatbesuch.

Man konnte die jeweilige Zugehörigkeit sehr gut daran erkennen, dass jede Gruppe nebeneinander über den Bürgersteig schlenderte - auch mit sechs Personen. Wenn man als Solo-Sonntags-Spazierer endlich eine Lücke fand, um an dem Familienverbund vorbeizukommen, musste man nur noch über die Hundeleine hüpfen, die den jeweiligen Truppendackel beim Herrchen (oder Frauchen) hielt.

Mir fiel der Stadtrundgang bereits schwer und ich hatte Mitleid mit den Kurgästen der orthopädischen Klinik, die den Parcour auch noch, frisch hüftoperiert, an zwei Krücken zu absolvieren hatten.


Um mich adäquat auf die aktuellen Witterungsverhältnisse einzustellen, besuchte ich erstmals das grosse Gradierwerk - inklusive der Inhalationskammer, die heute den Besucher:innen zum Themenschwerpunkt "London im Nebel" präsentiert wird. Ein beeindruckender erster Besuch, den ich ernsthaft zu einem weniger frequentierten Tag noch einmal vertiefen werde.

Um den Touristenmassen zu entfliehen, freue ich mich über ein Konzert am Nachmittag in der evangelischen Kirche des Ortes. Das Plakat hatte ich im Laufe der Woche schon einmal wahrgenommen und beim Spaziergang heute noch einmal länger beäugt.  Zwanzig Minuten vor Konzertbeginn stehe ich vor einer leeren Kirche und stelle fest, dass ich zwanzig Minuten und eine Woche zu früh vor Ort bin...


Entscheide mich für den Rückweg in die Kurklinik, wo ich zumindest etwas Lebensfreude zurückgewinne - in dem ich mich mit meinem Lieblingsland beschäftige. Erfahre von Tony Soprano (mit dem ich übrigens nie in diese Inhalationskammer gehen würde), dass er bisher noch nie in Italien war - obwohl er prinzipiell Lust hat, seine Heimat einmal zu besuchen! Tonys Grossvater, Corrado Soprano Sen., ein Steinmetz, emigrierte Anfang des 20. Jahrhunderts von Avellino in die Vereinigten Staaten von Amerika.

Sein Enkel haust jetzt lieber in Schlechtwetterniedersachsen, anstatt am Strand von Kampanien.

Was läuft da falsch?

Hat der Capo doch den Vorschlag des FBI zu einem Zeugenschutzprogramm angenommen? Es würde bedeuten, dass Familie Soprano dennoch wenig kooperativ mitarbeitete - oder warum landet man ansonsten in einer Kurklinik von Bad Rothenfelde?


Eine Freundin, die wenige Kilometer von dieser Salinenstadt entfernt lebt, versorgt mich aktuell mit Urlaubsfotos aus Sardinien. Sie war es auch, die mir unlängst das Buch über einen deutschen Ethnologen schenkte, der zu Forschungszwecken auf Sizilien dienstheimisch werden möchte. Wenn man das so liest, habe ich den Job verfehlt. Werde hier vielleicht noch einmal mit der Nachsorgeplanung sprechen und einen Termin beim Jobcenter für Umschulungsmöglichkeiten eroieren.

Der Ort in dem das Buch spielt heisst Mandlica und ist das Dorf der Dolci, der köstlichen, verführerischen Süssigkeiten. Werde meinen neuen Berufs- & Reisewunsch sicherheitshalber in der Klinik nicht komplett ausformulieren.

Die Beschäftigung mit Italien lassen den Kurkoller, der sich zwischen der Gymstunde und dem Mittagessen in mir ausbreitete, fast im Keim ersticken. Ich war am Mittag schon so weit, dass ich nach Jahren den PUR-Hitmix hörte (und immer noch mitsingen konnte).

Dachte dabei wieder an Kumpel Tony: es ist nie gut, wenn man in seinem Umfeld singt!




Bevor irgendwelche TV-Serien die Geschichte weitererzählen - hier gibt es die aktuellsten Infos!

 

 

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mit tony soprano in bad rothenfelde

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