Blog 12
Tag 12
Habe die nächste bescheidene Nacht hinter mir. Schaue gegen 04:00 Uhr auf mein Mobiltelefon und erspähe traurige Nachrichten aus der Heimat. Zum Kondolieren ist es wahrlich keine gute Zeit und ich verschiebe das auf den Vormittag. Es ist immer wieder erstaunlich, dass man vom Kreislauf des Lebens ausreichend Kenntnis besitzt - und dann doch voller Traurigkeit den Abschied aus dem Leben kaum akzeptieren möchte.
Es ist der zweite Samstag meines Aufenthaltes in der Kur, was bedeutet, dass man für die Tagesstruktur alleine verantwortlich ist. Um eine adäquate Tagesgestaltung bin ich selten verlegen. Wirkliche Langeweile kennt mein Leben bisher nicht. Der Zeitplan wird zukünftig enger, wenn nun auch noch ein regelmässiges Sportprogramm eingebaut werden sollte.
Probiere die neue Zeiteinteilung direkt nach dem Frühstück aus - in dem ich das Kesselhaus auf dem Klinikgelände besuche. Halte mich effektiv eine gute Stunde im Klinik-Gym auf.
Wäre ich nicht an einem Spiegel vorbeigekommen, hatte ich ein Gefühl, als wäre ich auf dem Weg zum jungen Arnold Schwarzenegger. Mein Spiegelbild durchkreuzte meine diesbezüglichen Gedanken. Vorerst.
Es fühlt sich dennoch richtig an, sich etwas zu betätigen und die anschliessende Dusche ist eine Belohnung.
Nur, dass keine Missverständnisse auftreten: man darf hier jederzeit duschen - auch ohne vorheriger Leistungserbringung jeglicher Art.
Samstags ist Eintopftag. Freitags gibt es ja auch Fisch! Nehme heute zum ersten Mal einen Nachschlag: die Linsensuppe ist wirklich gut - und selbst mit dem Nachschlag ist es eine überschaubare Portion.
Nach dem Mittagessen, bei dem die Tischgemeinschaft 38 vom Personal gebeten wird, den Feierabend der Küchencrew zu respektieren, setze ich mich in den Wagen, öffne das Cabriodach und mache mich auf den Weg nach Herford. Nach circa einem Kilometer halte ich erneut an und schliesse das Autodach wieder. Die vorausgesagte 50prozentige Regenwahrscheinlich findet, im wahrsten Sinne des Wortes, ihren Niederschlag.
In der Stadt, in der ich mal vermehrt freiberuflich für die gleichnamige Brauerei tätig war, steuere ich direkt das berühmte Kunstmuseum MartA an. Es ist ein Bau, welcher kurvig vom Stararchitekten Frank Gehry geschaffen wurde. 2014 wurde es zum Museum des Jahres gekürt und es stimmt, es ist ein imposantes Bauwerk - einfach anders als die restliche Bauwerke im Umfeld mehrere Kilometer…mehrerer 100 Kilometer.
Die beiden Ausstellungen reissen mich allerdings nicht vom Hocker. Was natürlich eine persönliche Empfindung ist. Allerdings scheint auch Tony Soprano meine Einschätzung zu teilen. Bin etwas erstaunt, dass ich ihn hier antreffe. Bin eher davon ausgegangen, dass er Kunstwerke nur für gerahmte Möbelstücke hält, die den Tresor mit dem unversteuerten Geld der ehrenwerten Geschäfte abdecken. Meine aber, bei dem Capo aus New Jersey ein Lächeln zu endecken, als er den Raum mit den "18 Boxes"“ betritt. Es handelt sich um 18 Pappkartons, die jeweils wie ein Sarg wirken. Der Mann aus der Müllentsorgung fühlt sich anscheinend angesprochen - mir bereitet das Kunstwerk, nach der nächtlichen Nachricht, eher Unbehagen.
Ebenso unbehaglich ist das geschlossene Museumscafé, bei dem ich eigentlich die Hoffnung hatte, dort genussvoll einen Espresso und ein Mineralwasser zu bekommen.
Das Café war weitestgehend verweist. Keine Auslage in den Vitrinen, keine Flaschen am Tresen, keine zischende Kaffeemaschine. Nur am hinteren Ende des Raumes sass ein Herr an einem Bistrotisch. Regungslos. Als ich den Raum verliess, kam mir Tony entgegen.
Jetzt kannte ich zumindest den Grund seines Museumsbesuches. Ein Gespräch unter vier Augen - abseits der Öffentlichkeit von Bad Rothenfelde.
Wer war der Typ im Café? Das FBI? Ein korrupter Dorfsheriff von Bad Rothenfelde? Der Capo von Niedersachsen? Solche Momente zeigen mir immer wieder auf, dass mein Kumpel Tony kein reiner Sympathieträger ist! Oder doch? Vielleicht war es ja auch nur ein Kollege von seiner Therapeutin… - vielleicht!
Bevor irgendwelche TV-Serien die Geschichte weitererzählen - hier gibt es die aktuellsten Infos!
Soundtrack zum Blog auf Spotify:
mit tony soprano in bad rothenfelde